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HAGEN: Söder wertet Kritik als Majestätsbeleidigung – Die Macht ist ihm zu Kopf gestiegen

Der Fraktionsvorsitzende der FDP-Landtagsfraktion Martin Hagen gab der "Passauer Neuen Presse" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte der stellvertretende Chefredakteur Alexander Kain.

"Passauer Neue Presse": CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder sieht in der Corona-Politik die FDP auf einem gemeinsamen Kurs mit der AfD. Ist das so? 

Martin Hagen: Die FDP fordert, dass endlich die Parlamente über die Corona-Politik entscheiden. Wenn Markus Söder uns deshalb in die Nähe der AfD rückt, sagt das viel über sein Demokratieverständnis aus. 

Warum poltert Söder so gegen die FDP? 

Die Macht ist ihm zu Kopf gestiegen. Er wertet Kritik als Majestätsbeleidigung. Die FDP wird aber auch weiterhin rechtswidrige und unnütze Maßnahmen wie das Beherbergungsverbot kritisch hinterfragen. 

Wie würden Sie seine bisherige Bilanz in der Corona-Bekämpfung sehen? 

Zu Beginn hat die Regierung entschlossen gehandelt, das haben wir unterstützt – auch mit eigenen Vorschlägen, die teils übernommen wurden, etwa die Maskenpflicht beim Einkaufen. Inzwischen erscheint aber vieles aktionistisch und willkürlich. 

Bei den Deutschen kommt sein Kurs aber gut an, wie Umfragen zeigen… 

Die Menschen sehnen sich in der Krise nach starken Anführern. Als solcher inszeniert sich Söder recht geschickt. Aber die Methode Söder stößt an ihre Grenzen. Politik kann nicht dauerhaft nur Ängste schüren, sie muss Mut machen.

Wie bewerten Sie, dass Bayern unter Söder zwar einen strengen Corona-Kurs fährt, die weiß-blauen Zahlen aber nicht signifikant besser sind als andernorts? 

Die Bilanz steht im krassen Widerspruch zu Söders Inszenierung. Bayern hat mit härteren Maßnahmen schlechtere Ergebnisse erzielt als andere Länder. Das beweist, dass vieles hier nicht verhältnismäßig war – etwa die Ausgangsbeschränkungen, die es ja anderswo nicht gab. 

Halten Sie Söders Aufforderung für einen radikalen Lockdown im Berchtesgadener Land für sachlich gerechtfertigt? 

Lokal differenziert vorzugehen statt landesweit die Bürger einzuschränken ist richtig, das hat die FDP ja schon im Frühjahr gefordert. Allerdings sollten wir nicht nur auf die Infektionszahlen schauen, sondern auch andere Kriterien einbeziehen – etwa die Zahl schwerer Verläufe, Kapazitäten in Kliniken oder die Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten. 

Was wäre aus Ihrer Sicht jetzt nötig? 

Wir brauchen dringend eine personelle und technische Stärkung der Gesundheitsämter. Außerdem sind jetzt die Vernunft und Eigenverantwortung der Bürger gefragt. Oberstes Ziel muss es sein, Risikogruppen zu schützen und eine Überforderung des Gesundheitswesens zu verhindern.