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HAGEN im Interview: Impfung ermöglicht frühere Lockerungen

Martin Hagen, Fraktionsvorsitzender der FDP im Bayerischen Landtag, gab dem "Münchner Merkur" für die heutige Ausgabe das folgende Interview. Die Fragen stellten Georg Anastasiadis, Christian Deutschländer und Mike Schier.

Heute treffen sich die Ministerpräsidenten, um den Lockdown zu verlängern. Richtig so?

Martin Hagen: Eine Aufhebung des Lockdowns käme zu früh. Wir wissen ja noch nicht, wie sich Silvester ausgewirkt hat. Wichtig wäre aber, dass wir darüber reden, unter welcher Maßgabe wieder gelockert werden kann. Eine Inzidenz von 50, die Markus Söder immer als Ziel nennt, ist in diesem Winter unrealistisch. Entscheidend ist doch, dass wir eine Überlastung des Gesundheitssystems abwenden. Da verändern die Impfungen die Kalkulation: Wenn wir die Gruppen, die ein besonders hohes Risiko schwerer Verläufe haben, durchgeimpft haben, verkraften wir auch höhere Inzidenzen.

Was wollen Sie konkret aufsperren in Bayern?

Oberste Priorität haben Kitas und Schulen, wobei in höheren Klassen Wechselunterricht sinnvoll ist. Im nächsten Schritt: Gastronomie und Kultur, die gut funktionierende Hygienekonzepte haben und deren Schließung ohnehin nur geringe Effekt hatte.

Umso zorniger müssten Sie sein, dass die Regierung den Impfstart so versaubeutelt...

Ja, ich ärgere mich. Es war richtig, beim Einkauf ein Nachfragekartell in Europa zu bilden, aber die Umsetzung war mies. Wir hinken jetzt beim Impfen Staaten wie Israel oder Großbritannien weit hinterher. Jeder zusätzliche Cent in Impfstoffe wäre besser investiert gewesen als in die Folgekosten des Lockdowns.

Wäre es sinnvoll, den Geimpften Sonderrechte einzuräumen? Die Bundesregierung ist dagegen.

Mich stört schon der Begriff: Es geht nicht um Sonderrechte oder Privilegien, sondern um Grundrechte. Und drastische Eingriffe wie derzeit müssen extrem gut begründet sein. Menschen derart einzuschränken, wenn von ihnen gar keine Gefahr mehr ausgeht, wäre verfassungswidrig.

Geimpfte sollen also mehr dürfen als Ungeimpfte – aber ist das solidarisch?

Ungeimpfte haben ja dadurch keinen Nachteil. Wenn meine Eltern, beide über 70, früher geimpft werden und dann wieder ins Theater gehen dürfen, freue ich mich. Als Liberaler kenne ich keinen Neid, und als Steuerzahler will ich so viele zwangsgeschlossene Einrichtungen wie möglich wieder öffnen.

Blicken wir auf die FDP. Viele Liberale wollen ein Bündnis mit der Union, der neue Generalsekretär Volker Wissing steht eher für eine Ampel. Hat die FDP ein Richtungsproblem?

Die FDP tut gut daran, mit allen Parteien der Mitte koalitionsfähig zu sein. Ich persönlich sehe mit der Union die größeren Schnittmengen...

...die Union aber nicht? Söder spricht dauernd von Schwarz-Grün.

Söder will Schwarz-Grün, ob das seine Wähler so teilen, bezweifle ich. Andererseits hat Armin Laschet gerade erklärt, er präferiere ein Bündnis mit der FDP. Die Bundestagswahl ist völlig offen, wir als FDP konzentrieren uns jetzt einfach darauf, ein ähnlich gutes Ergebnis wie 2017 zu holen.

Kurz vor dem Dreikönigstreffen fordern junge Parteifreunde, die FDP müsse stärker auf die Klimabewegung zugehen. Eine Spitze gegen Lindner?

Nein. Wir brauchen in der Klimapolitik als FDP kein Umdenken, wir haben sehr gute Konzepte: Den europäischen Emissionshandel auf alle Sektoren ausweiten, mit einem harten CO2-Deckel. Umwelt- und Klimaschutz sind der FDP genauso wichtig wie der Friday-for-Future-Bewegung. Unsere Antworten darauf sind aber andere. Wir brauchen Innovation, keine Zurück-zur-Natur-Romantik.