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Rechtswissenschaftler: Re-Parlamentarisierung des Krisenmanagements ist geboten

Der Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags hat heute über das von der FDP-Fraktion vorgelegte Infektionsschutz-Parlamentsbeteiligungsgesetz beraten. Dieses soll die Rolle des Landtags in der Corona-Politik stärken: Verordnungen der Staatsregierung zum Infektionsschutz sollen künftig der Zustimmung durch die Abgeordneten bedürfen. CSU und Freie Wähler lehnten das Vorhaben ab.

FDP-Fraktionschef Martin Hagen erklärte: "Die Vertreterinnen und Vertreter des Volkes dürfen in der Corona-Politik nicht länger außen vor bleiben." Er zitierte in der Ausschussberatung aus einer Stellungnahme der Rechtswissenschaftler Professor Dr. Hans Michael Heinig (Georg-August-Universität Göttingen) und Professor Dr. Christoph Möllers (Humboldt-Universität Berlin). Diese halten eine Beteiligung des Parlaments für geboten.

In der Stellungnahme heißt es: "In akuten Krisen steht die Exekutive im Mittelpunkt des Handlungsgeschehens. Dem Verfassungsorgan Regierung kommt insoweit die Kompetenz zur Staatsleitung zu. Doch dies ist nur eine Momentaufnahme, die auf Dauer die zentrale politische Integrations- und Steuerungsfunktion des Parlaments und der Gesetzesform nicht ersetzen kann. Deshalb stellt sich mit Nachdruck die Frage nach den verfassungsrechtlichen Möglichkeiten, ja Pflichten zu einer Re-Parlamentarisierung des Krisenmanagements, wenn dieses auf eine größere Stetigkeit im Handeln angelegt ist."

Gegen die von der FDP-Fraktion vorgeschlagene Regelung bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken, so Heinig und Möllers: "Die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen unter parlamentarischem Zustimmungsvorbehalt entspricht ständiger Staatspraxis. Diese ist verfassungsgerichtlich gebilligt." Sollte der Landtag es hingegen unterlassen, die gegenwärtige Rechtslage fortzuentwickeln, befände er sich "verfassungsrechtlich jedenfalls nicht mehr auf der sicheren Seite."

Rückblickend schreiben Heinig und Möllers: "Hätte jemand im November 2019 in einer rechtswissenschaftlichen Abhandlung geschrieben, dass man auf recht schmaler parlamentsgesetzlicher Grundlage im Bundesrecht mittels Rechtsverordnungen und Allgemeinverfügungen das öffentliche Leben in Deutschland in kürzester Frist zu weiten Teilen zum Erliegen bringen kann, wären solche Aussagen wohl verwundert zur Kenntnis genommen worden und in der Sache nicht ohne energischen Widerspruch geblieben."